Weltrekord fast ins Wasser gefallen
VON REINHARD SCHMIDT
Venedig/Korbach – Fast wäre der Siebenkampf-Weltrekord von Tatjana Schilling (TSV Korbach) noch ins Wasser gefallen. Stundenlang stand am Sonntagnachmittag ein heftiges Gewitter mit Starkregen über dem Stadion in Venedig und verhinderte im Siebenkampf den Start zum abschließenden 800-Meter-Lauf bei der Europameisterschaft der Senioren.
Dabei wollte der Veranstalter die Wettkämpfe zunächst gar nicht unterbrechen. Die Mehrkämpferinnen sollten starten, wollten aber nicht. „Es war lebensgefährlich, das ganze Stadion stand unter Wasser und mit Sandsäcken haben sie versucht die Umkleidekabinen abzudichten“, erzählt Schilling.
Die Athleten mussten schon nach Kurt Kaschke rufen, Präsident des Senioren-Leichtathletikverbandes European Masters Athletics (EMA), um eine Unterbrechung der Wettkämpfe zu erzwingen. Und da der Wolkenbruch nur langsam weitergezogen sei, „waren die Organisatoren kurz davor, alles abzubrechen, quasi einen Sechskampf zu machen“. Der mögliche Weltrekord wäre dann futsch gewesen.
Dann sei aber ein kurzes Zeitfenster aufgegangen, in dem der Regen aufgehört habe und das Wasser halbwegs von der Bahn geflossen sei, erzählt Schilling. Dieser Moment sei für den Start genutzt worden. Die 49-Jährige musste 2:42 Minuten laufen um den Weltrekord zu knacken.
„Es war unglaublich, ich hatte während des Laufes Gänsehaut, weil mich alle Athleten angefeuert haben“ erinnert sich die mehrfache Weltmeisterin. Die Uhr blieb bei 2:38,83 Minuten stehen – der Rekord-Coup war perfekt.
6082 Punkte hatte Schilling gesammelt. Die alte Bestmarke hielt die Australierin Mary Kay mit 6006 Zählern, die sie bei der Weltmeisterschaft 2009 aufgestellt hatte. Schillings Bestmarke lag bisher bei 5888 Punkten. Einen Weltrekord hatte die Lelbacherin für sich gar nicht im Kopf. Sie sei schon am ersten Tag im Stadion darauf angesprochen worden und Udo Leithäuser, Leichtathletik-Abteilungsleiter beim TSV Korbach, habe ihre am Samstagabend die Mail geschickt, „Du liegst ja auf Weltrekordkurs.“
Davon wollte Schilling einerseits nichts hören, anderseits war sie neugierig geworden und bat ihre Tochter Alica doch mal im Internet nachzuschauen, wo denn diese Weltrekordmarke liege.
Der gesamte Wettkampf lief für die 49-jährige wie am Schnürchen, obwohl sie in keiner Disziplin eine persönliche Bestmarke erzielte, aber in allen Diszplinen auf hohem Niveau lag. Sie gewann in Venedig sechs von sieben Wettbewerbe nur über die 800 Meter war eine Frau schneller als sie.
Schilling war mit 12,34 Sekunden über 80-Meter-Hürden gestartet, sprang 1,60 Meter hoch, stieß die Kugel 10,86 Meter weit, und verfehlte ihr Ziel über 200 Meter erstmals unter 27 Sekunden zu laufen um sechs Hundertstel. Am nächsten Tag sprang sie 5,26 Meter weit, schleuderte den Speer auf 31,06 Meter, dann fehlten nur noch die 800 Meter. „Ich habe während des Wettkampfes nur gejubelt“, sagte die Lelbacherin. Die vielleicht beste Einzelleistung bei diesem Wettkampf erzielte Schilling im Hochsprung. „Die 1,63 Meter waren wirklich megaknapp. Das ist schon unglaublich, weil ich Hochsprung wegen der Verletzungsgefahr gar nicht mehr trainiere.“
Und jetzt, Frau Schilling, wollen Sie nach diesem tollen Siebenkampf doch bestimmt noch eine Einzelmedaille im Weitsprung, oder ? „Nein, ich werde mit meiner Tochter Alica jetzt noch eine Flasche Sekt trinken und danach bin ich zu nichts mehr zu gebrauchen.“
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