Gute Atmosphäre und fröhliche Teilnehmer beim ersten inklusiven Sportabzeichentag
Von Gerhard Menkel
Fotos: Matthias Lange / © malafo
Korbach. Kurz vor 10 spielt Moderator Lutz Katerbau das „Fliegerlied“. Der Text behauptet ausdauernd „Heut is so a schöner Toag“. In diesem Augenblick kann man das wahlweise als leichte Anmaßung oder furchtlosen Optimismus nehmen. Es regnet. Der Himmel: wolkenverhangen. Das „Fliegerlied“ wird trotzdem recht behalten.
Der erste inklusive Waldeck-Frankenberger Sportabzeichentag am Sonnabend im Korbacher Paul-Zimmermann-Stadion war auch bei schlechtem Wetter ein gutes Ereignis. „Eine ganz ungewöhnliche Veranstaltung“, sagte Jürgen Damm, der Vorsitzende der Aktion für behinderte Menschen (AfbM) im Landkreis. Sie führte etwa 200 Gäste und Teilnehmer zusammen. Damm: „Alle Besucher waren begeistert.“ Sie ließen sich anstecken. Vor allem von den behinderten Sportlern wie Stefan, 26.
Stefan steht am Diskuskäfig, Station für Schleuderball, Drehwurf und Keulenweitwurf. „So weit schmeißen, wie es geht“, ruft ihm Berthold Michels zu, einer der Sportabzeichen-Prüfer, die viel dafür getan haben, dieses Projekt zum Erfolg zu führen. Stefan wirft mit Eifer. „Und noch mal, Junge.“ Stefan wirft weiter.
Stefan wird in einem Haus auf dem Volkmarser Scheid betreut. Sie sind zu sechst, lauter junge Männer und ihre Betreuerinnen. Sie lachen. Ansteckende Freude. „Es ist eine dankbare Aufgabe“, sagt Berthold Michels, „es kommt so viel zurück.“
Zahlreiche Partner haben dieses Tag vorbereitet. An Förderschulen, in Vereinen, Sportabzeichen-Treffs, beim Land- und beim Sportkreis, bei der AfbM. „Wir wollten ein Zeichen setzen, dass es möglich ist, gemeinsam Sport zu treiben“, hat Jürgen Damm zur Begrüßung gesagt.
Politiker am Grill
Gutes tun, um Nachahmer zu finden, dafür lässt sich auch die Politprominenz gern einspannen. „Das ist so, wie wir uns vorstellen, Menschen zusammen zu führen“, sagt Walter Lübcke über das Sportabzeichen-Projekt. Der Regierungspräsident steht drei Stunden am Grill, gemeinsam mit Landrat Reinhard Kubat und Michel Hölscher, Rektor der Korbacher Förderschule am Enser Tor. Sie braten und verkaufen Bratwurst.Auf der Tartanbahn ist das Gewusel groß. Mädchen und Jungen der Frankenberger Friedrich-Trost-Schule trudeln nach und nach im Ziel ein. 800 Meter. Jason hat neuen Rekord gelaufen.
Fabian lässt Antonia wissen, er sei Erster. „Ich finde es gut“, sagt Kathrin Schäfer, die Leiterin der Trost-Schule. Sie sagt dann noch einen Satz: „Ich bin gespannt, wie inklusiv es wird.“ Ja, wie? Die behinderten Sportler gehen gruppenweise von Station. Meist sind sie unter sich. Ein älterer Herr taucht immer wieder auf der Bahn zwischen den Schülern auf. Eberhard von Sternburg, 81, aus Bad Arolsen läuft 3000 Meter. Für sein 45. Sportabzeichen in Gold. „Ich bin ganz bewusst hierher gekommen, um das zu unterstützen“, sagt er. Er verspüre in seinem Alter schließlich selbst schon Einschränkungen. Eine Geste der Solidarität.
Es sind nicht viele Nichtbehinderte, die in diesem Rahmen Prüfungen ablegen. Die typische Sportabzeichen-Klientel ist weitgehend zu Hause geblieben. Sie hat ihren eigenen Rhythmus. Viele aus der Gruppe hätten die Prüfungen schon durch, sagt Manfred Heide vom Sportabzeichen-Treff des TSV Korbach. Seit Mai gehen sie einmal die Woche laufen, springen, werden. 50, 60 Frauen und Männer erwerben beim Großverein jährlich das Sportabzeichen. Heide ist als Prüfer da. „Das Wetter bietet nicht die besten Bedingungen“, sagt er.
„Es soll weitergehen“
Die Sache muss wachsen. „Wir haben sicherlich nicht alle erreicht“, sagt Kerstin Mühlhausen, die beim Sportkreis das Sportabzeichen betreut. Vielleicht müsse sich alles erst festigen. Schwierig, sagt sie. Die gemeinsame Prüfungen sind freilich nicht alles. Die Initiatoren beim Land- und beim Sportkreis sowie bei der AfmB hofften zuerst darauf, inklusive Trainingsgruppen anzustoßen. Es gibt zumindest Ansätze.Axel Grünemei, Lehrer der Schule am Enser Tor, brachte die Sache mit dem Sportabzeichen auf eine andere Idee: das Landkreis-Projekt „Stark bewegt“ inklusiv gestalten. „Da begegnen sich die Kinder auf einer anderen Ebene. wer eine Behinderung hat, ist zweitrangig“, sagt er. Matthias Schäfer, der Leiter des federführenden Fachdiensts Sport, kennt den Vorschlag bereits.
Welche Zukunft das Sportabzeichen-Projekt hat, bleibt an diesem Samstag offen. Der Tag soll nur ein „vorläufiger Abschluss“ gewesen sein, so drückt es Jürgen Damm aus, so wollen es alle. „Natürlich soll es weitergehen, wie auch immer.“
Eine Galerie mit Bildern der Veranstaltung finden Sie auf der Website der Waldeckischen Landeszeitung.
Rund 120 Urkunden und Sportabzeichen
Rund 120 Teilnahmeurkunden und Sportabzeichen sind beim ersten inklusiven Sportabzeichentag in Korbach ausgehändigt worden. Die meisten gingen wohl an Kinder und Jugendliche von Förderschulen, genaue Zahlen über die Aufteilung zwischen behinderten und nicht behinderten Menschen lagen aber nicht vor. „Das war eine Teilnehmerzahl, die ich nicht erwartet hätte“, sagte Jürgen Damm, der Vorsitzender der Aktion für behinderte Menschen (AfbM) im Landkreis. Der Initiator des Projekts lobte vor allem die Zusammenarbeit mit Matthias Schäfer vom Fachdienst Sport des Landkreises sowie mit Kerstin Mühlhausen und Yasmine Seibel vom Sportkreis, er dankte den Prüfern und AfbM-Geschäftsführer Horst Behle: „Wenn wir nicht so toll zusammengearbeitet hätten, hätten wir das nicht so hinkriegen können.“ (mn)Beitrag teilen