Taekwondo: Kabashi nah am Ziel seiner Träume

In Taekwondo by Waldeckische Landeszeitung

Taekwondo-Kämpfer holt erstmals deutschen Meistertitel der Herren nach Korbach

VON REINHARD SCHMIDT

Korbach – Diese fünf Sekunden wird Korab Kabashi wohl nie vergessen. Der deutsche Meistertitel schien für den Taekwondo-Kämpfer vom TSV Korbach schon verloren, die Schlussrunde bei den Titelkämpfen in Nürnberg war so gut wie vorbei und er lag 9:10 gegen Kaan Gümus (Center Iserlohn) hinten.

Aber dann sah der 23-Jährige doch noch einen Weg zu seinem Gegner und sein Kick traf den Iserlohner am Kopf. Kampf gedreht, 11:10 gewonnen und endlich am Ziel einer jahrelangen Arbeit: Deutscher Meister bei den Herren in der Gewichtsklasse bis 74 Kilogramm im olympischen Vollkontaktkampf.

Diesen Titel hat bisher noch kein Korbacher Athlet geholt. Burkhard Söhnken sei 1995 nah dran gewesen, aber er habe das Finale verloren, erinnert sich Gerd Lange, damals wie heute der Trainer der Korbacher Taekwondos. „Dieser Erfolg von Korab ist auch für mich quasi der Höhepunkt meiner Arbeit“, sagt der Coach.

Und auch für Kabashi ist diese deutsche Meisterschaft bei den Senioren „die Kirsche auf der Torte“. Er hatte diesen Titel 2018 bereits bei den Junioren geholt und schon damals gespürt, dass ein Großteil seiner Konkurrenten als Sportsoldaten Taekwondo viel professioneller betreiben können als er, der nun schon seit sechs Jahren einem Vollzeitjob als kaufmännischer Angestellter bei der Firma Borbet in Hallenberg-Hesborn nachgeht.

Lange war mit zwei Kämpfern nach Nürnberg gefahren und auch Selim Ciplak (16) brachte Edelmetall mit nach Hause. Er gewann bei der A-Jugend in der Gewichtsklasse bis 73 Kilogramm Bronze, nachdem er sein Halbfinale gegen jenen Kaan Gümus verlor, der in der Männerklasse einen Tag später Korab Kabashi unterliegen sollte.

Damit hatte das kleine Korbacher Team einmal mehr auf sich aufmerksam gemacht, denn es wirkt gegenüber den großen professionell betriebenen Taekwondo-Zentren aus Iserlohn, Nürnberg, Bonn, Berlin oder Friedrichshafen wie das Asterix-Gallien im Kampf gegen Rom. Nur der Zaubertrank fehlt den Kämpfern von Trainer Lange. Dennoch sagt Selim Ciplak: „Ich hätte Gümus auch schlagen können, aber ich habe es nicht so schlau gemacht wie er und einige gute Möglichkeiten ausgelassen.“

Celim Ciplak

Ciplak hatte wegen Corona und Verletzungen drei Jahre kein Taekwondo betrieben, dann wieder angefangen und mit Kabashi intensiv, vier Monate lang, viermal pro Woche trainiert. Doch er spürt selbst, dass er noch Luft nach oben hat: „Vor drei Jahren war ich viel beweglicher“, sagt der 16-jährige Fachoberschüler.

Topfit und vor allem verletzungsfrei fühlte sich diesmal Korab Kabashi und er kannte im Gegensatz zu Ciplak fast all seine Gegner. „Ich habe eigentlich nicht anders trainiert als in den Vorjahren, außer, dass ich die Sprungkraft und die Athletik verbessert habe.

Vor allem konditionell muss man bei solch einer Meisterschaft auf der Höhe sein, denn Kabashi musste innerhalb von acht Stunden fünf Kämpfe bestreiten. Fünf Liter Wasser hat er in dieser Zeit getrunken. Da ungewiss ist, wer auf einen zukommt, kann man sich auch nicht auf einen Gegner speziell vorbereiten. „Das mache ich sowieso nicht so gern, ich konzentriere mich meistens nur auf mich und schaue was dann dabei rauskommt“, verrät der neue deutsche Meister, der aber schon sehr selbstbewusst in Nürnberg angetreten ist: „Ich fahre da nicht mehr hin nur um eine Medaille zu holen.“

Kabashi war an zwei gesetzt und warf im Halbfinale die Nummer eins Ahmed Mohammad aus Berlin deutlich nach zwei Runden raus. „Der hatte eigentlich keine Schnitte, aber er hat mir nach dem Kampf nicht mal die Hand gegeben“, erzählt Kabashi.

Er findet die neue Regel gut, dass die Kämpfe nun ähnlich wie die Sätze im Tennis gewertet werden. Wenn jemand nach der ersten Runde hoch führt, kann er sich nicht mehr auf diesem Vorsprung ausruhen, denn er scheidet aus, wenn er die beiden nächsten Runden verliert. Die entscheidende dritte Runde entfällt wenn jemand zuvor zwei gewonnen hat. „Es fliegen dadurch auch öfter mal Favoriten gegen Underdogs raus“ erzählt Kabashi. Er hatte die erste und das Viertelfinale nach zwei Runden gewonnen.

Nach dem aufregenden Halbfinale gegen den starken Berliner, dachte das Korbacher Team, dass es im Finale einfacher würde. „Nachdem Selim schon so gut gegen Gümus ausgesehen hatte, dachten wir, Korab wird es leichter haben“, sagt Lange. Er sollte sich irren.

Hohe Hürden auf dem Weg nach Europa

Kabashi ließ sich im Finale in der ersten Runde überraschen und verlor 7:10. Die zweite holte er sich mit 10:6 und ließ dann diesen Last-Second-Sieg folgen. Dieser Titel eröffnet dem 23-Jährigen neue Perspektiven über die Landesgrenzen hinaus.

Allerdings ist die Teilnahme an einer EM oder WM als deutscher Meister für ihn nicht gesichert. Für eine mögliche Olympiateilnahme liegen die Hürden noch höher. Genau wie ein Tennisspieler, müsste Kabashi nun an internationalen Turnieren teilnehmen und einige Weltranglistenpunkte sammeln.

Doch hier stößt der neue Champion schon wieder an die Grenzen des Machbaren. „Ich kann nicht für jedes Turnier Urlaub nehmen, so viele Tage habe ich auch gar nicht“, erzählt er. Er erhalte zwar Sporthilfe, aber die reiche auch nicht aus. Der Landesverband und der Bundestrainer wollen sich für ihn einsetzen, aber ein Wechsel in eines der deutschen Taekwondo-Zentren kommt für ihn derzeit auch nicht in Frage.

Er möchte in Korbach bleiben und beim TSV als Athlet und Trainer für seine Sportart das fortsetzen, was sein Coach Gerd Lange aufgebaut hat. Er betreut schon jetzt den Nachwuchs. Trotzdem will Kabashi aber beides und er hofft, dass er diesen Spagat irgendwie hinbekommt: „Mit diesem Titel will ich jetzt auch international mal angreifen.“

Aber er agiert dabei so besonnen wie mit seiner bisherigen Karriere. Jetzt nichts überstürzen. „Bisher steht nur fest, dass ich zu den Bulgarien Open fliegen werde und dann mal sehen.“  rsm

Quelle

Waldeckische Landeszeitung

Facebook Twitter

Die Waldeckische Landeszeitung ist die Heimatzeitung des TSV 1850/09 Korbach e. V. Sportredaktion: Gerhard Menkel (Leiter), Manfred Niemeier, Werner Spitzkopf, Jürgen Heide, Reinhard Schmidt und Dirk Schäfer.

Beitrag teilen