Torun – Die Kugel das erste Mal über zwölf Meter gestoßen, beim Weitsprung selbst überrascht. Und das alles bei einer Weltmeisterschaft.
Der 5,24-Meter-Satz in die Grube reichte aus für die Goldmedaille und die 12,19 Meter im Kugelstoßen für Silber.
Einen besseren Start für diese Hallenwelttitelkämpfe in der polnischen Stadt Torun hätte sich Tatjana Schilling (TSV Korbach) nicht wünschen können. Sie ist eine von den 475 deutschen Leichtathleten, die an diesen Hallenwelttitelkämpfen teilnehmen. Rund 4700 Sportler aus 80 Nationen gehen an den Start.
Vielleicht gäbe es für Schilling nur noch diese Steigerung: Wie weit war Gold im Kugelstoßen noch entfernt? Die Antwort von Schilling überrascht ein wenig: „Keine Ahnung, ich glaube die Siegerin hat weit über 13 Meter gestoßen und ich weiß, dass die Polin noch ziemlich nah an meine Weite herangekommen ist.“
Sie schaue bei einem Wettkampf meist nur auf sich. Gold war für die Korbacherin fast ein Meter entfernt. Dieses Edelmetall holte sich die Französin Camille Cayet mit 13,12 Meter und die Bronzegewinnerin Polin Dorota Szczepanik war im fünften Versuch mit 11,85 Meter nah an den Silberplatz herangerückt.
Doch dieser gute WM-Start täuscht ein wenig über die wahre Gefühlslage von Tatjana Schilling hinweg, denn die Signale die sie von ihrem Fuß im Fersenbereich empfängt, fühlen sich immer noch schmerzhaft an. Aber in Polen hat sich die Dramaturgie wie bei der deutschen Hallenmeisterschaft Anfang März nicht wiederholt: Auch hier war Schilling mit persönlicher Bestmarke im Kugelstoßen (11,99 m) gestartet, dann stieg sie wegen der Reizung der Achillessehne aus.
Sie konnte seither nur Krafttraining und Aqua-Jogging machen. „Deswegen bin ich momentan so gut im Kugelstoßen“, sagt Schilling mit einem ironischen Unterton. Ob sie ihr WM-Programm abspulen kann oder nicht, sollte gestern der Weitsprung entscheiden. Sie wusste nicht, ob der Fuß diese Belastung mitmacht.
Darauf hat sie auch jetzt immer noch keine klare Antwort, denn es war ein Wettkampf mit angezogener Handbremse. Sie hat sich nicht mit ihrem linken Sprungbein warm gemacht, sondern mit rechts. Dann hat sie für den ersten Sprung den lädierten Fuß gewählt und gleich die 5,24 Meter erzielt. Der zweite lag bei 5,16 Meter, dann verzichtete sie auf weitere Versuche. Es reichte für den Sieg und eine von sich selbst überraschte Weltmeisterin. „Jetzt muss ich mich erst mal sortieren, keine Ahnung, was ich jetzt noch mache.“
Eines wusste Schilling aber schon, dass sie gestern Abend nun doch die 400 Meter in Angriff nahm, und am Freitag möchte sie den Fünfkampf bestreiten.
Falls der Fuß dies nicht mitmacht, kann sich Schilling nicht nur mit zwei Medaillen trösten, sondern eine WM-Teilnahme ist weit mehr als nur Sport. Welttitelkämpfe sind auch ein großes Wiedersehenstreffen der Athleten. Gleichzeitig Gegner und Freund sein, das funktioniert im Sport oft schwer, aber im Seniorensport geht recht gut.
Schilling freut sich besonders auf ihre zwei Freundinnen, eine aus Australien und die andere aus den USA. „Wir sind über Facebook das ganze Jahre über in Kontakt und jede weiß immer was die andere gerade trainiert.“ rsm
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